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Ulrich Gumpert (1985)

aus und die Leute in der Schlange mussten davon überzeugt werden, die leeren Gläser, die sie in der Hand hatten, vorne abzu­geben, damit es weitergeht.
An Bier und Gläsern gab es in der DDR eigentlich keinen Mangel, aber oft am En­gagement des Kneipers. Um seine Ruhe zu haben, war des öfteren das Bier schon um 23 Uhr alle und der Wein dann auch ganz schnell - kein Wunder, da er aus Bierglä­sern getrunken wurde, weil nicht genug Weingläser da waren ...
Das Publikum war nicht allein zum Mu­sikhören gekommen, sondern der Jazzkel­ler war auch ein Treffpunkt, eine Nische für viele, die in der DDR unzufrieden waren. Es war eine Szene für Intellektuelle, die sich in den siebziger Jahren durch den Jazz ge­funden hatten, aber als Atheisten nicht in die kirchliche Opposition gehen wollten. Wenn Uli Gumpert spielte, wurde das be­sonders deutlich, denn jeder wartete dar­auf, dass er Melodien von Biermann-Lie­dern in sein Klavierspiel einbaute - dann gab es tosenden Zwischenapplaus.
Und spätestens nach der Biermann-Ausbürge­rung kannte jeder die Lieder und Texte.
Die Räumlichkeiten entsprachen nicht dem, was man sich landläufig unter einem Musikkeller vorstellt. Ein erhöhtes Podium, eine Bühne, gab es nicht. Die Musiker bau­ten sich zwischen den Durchgängen zu den Hinterräumen auf, die etwa fünf Meter aus­einander lagen. In der »S-Bahn«, so hieß das rechte Hinterzimmer, weil es mit S-Bahn-Sitzen möbliert war, und in dem an­deren Hinterraum saßen die Leute und quatschten. Selbstverständlich mussten sie zum Bierholen an der Band vorbei und natürlich auch alle, die zur Toilette wollten, denn die Tür dorthin war links neben der »Bühne«. Einen extra Aufenthaltsbereich für die Musiker gab es nicht.
Für größere Besetzungen oder wenn ein Piano gebraucht wurde, konnten wir aber in den Saal in der ersten Etage ausweichen. Das passierte Ende der achtziger Jahre immer häufiger, da immer mehr Bands keine Lust mehr hat­ten, gegen den Gesprächspegel des Keller­publikums anzuspielen.

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