Freitag 4. Mai '12


 

Jazz an der Lohmühle X
Kultursommer im Treptower Norden

2. Juni – 11. August 2012
jeweils 19 – 22 Uhr draußen & gratis

Wir sammeln Spenden für traditionelles Saatgut zur Ernährungssicherung in Südafrika (www.sodi.de)

Open Air Bühne Lohmühlenstraße / Ecke Kiefholzstr. (am Landwehrkanal)
( S-Bhf. Treptower Park / U-Bhf. Görlitzer Bhf. / Bus 194, 171, 147, 265 )
Kulturbanausen e.V. in Zusammenarbeit mit Jazzkeller 69 e.V. und Unterstützung des Bezirksamtes Treptow-Köpenick

Jazz an der Lohmühle ist auch in diesem Sommer ein lohnenswertes Pilgerziel für musikinteressierte Berliner und ihre Gäste.
Draußen und gratis werden in der romantischen Umgebung des Wagendorfes Lohmühle am Landwehrkanal in Berlin-Treptow wieder international anerkannte Berliner Solisten und Ensembles Musik zwischen moderner Folklore und zeitgenössischem Jazz vorstellen.

Der Jazzkeller 69 e.V. als Veranstalter kann in diesem Jahr auf 42 Jahre Jazz in Treptow zurückblicken. Unterstützt werden die Konzerte vom Kulturamts des Bezirksamts Treptow-Köpenick und dem Kulturbanausen e.V.

 

 

Editorial
Wir leben in stürmischen Zeiten. Arabischer Frühling, Occupy, Piraten. Und vor einem halben Jahr meldete sich sogar noch eine Initiative von Jazzmusikern zu Wort die sich bessere Bedingungen und Bezahlung wünschte für ihre – immerhin künstlerische – Arbeit.
Da blies ein ordentlicher Gegenwind durchs Feuilleton. Von ‚SZ’ bis ‚Freitag’ wurde die „gesamtgesellschaftliche Relevanz des Jazz“ bezweifelt, der entweder in Avantgarde-Frickelbuden vor esoterischem Publikum oder als weichgespültes Festival-Event stattfinde.
Die ‚Zeit’ schrieb klug abwägend: „Eine Revolution im Sinne einer sozialen Bewegung kann nicht gefördert werden. Die Kunst, die sie auslösen kann, und die Bedingungen der Künstler und Musiker, die sie schaffen, hingegen schon“ und Jazzpianist Michael Wollny kam im Interview mit der ‚Welt’ zu dem Schluß: „Das Problem ist, dass oft versucht wird, in vorauseilendem Gehorsam das Publikum nicht zu enttäuschen.
Mehr Mut zum Eckig-Kantigen und zum Moment, der uns schon zeigen wird, was passiert – das wäre eine Position, von der aus ich sagen würde, der Jazz hat Relevanz.“

Zur gleichen Zeit geht der »Jazz an der Lohmühle« in sein Jubiläumsjahr. Ungerührt von der „Jazzdebatte“? Wohl kaum. Die Open-Air-Konzerte bei freiem Eintritt werden nicht nur durch den Einsatz des Jazzkeller 69 e.V. ermöglicht, sondern auch durch die öffentliche Förderung durch den Bezirk Treptow-Köpenick. Doch in das grob gestrickte Argumentationsmuster mag das über den Sommer gestreckte Jazzfestival nicht passen.
Seine Heimatbühne liegt im Wagendorf Lohmühle – wo Kreuzberg und Alt-Treptow, Landwehrkanal und Görlitzer Park zusammenfinden: von weltentrücktem Elfenbeinturm kann hier sowenig die Rede sein wie von nichtssagender Häppchen-Kultur.
Ganz im Gegenteil: hier findet Jazz auf Augenhöhe mit seinem Publikum statt: viele der Musiker sind Nachbarn, leben in Neukölln, Kreuzberg, Treptow, Friedrichshain.
So treten hier bei insgesamt sechs Konzertabende alle wichtigen Schlagzeuger Berlins auf. Und die gehören wie ihre Kolleg_innen an den anderen Instrumenten zur international vernetzten Szene der improvisierenden Musik. Sie haben – wie ihre Zuhörer_innen auch – viel zu erzählen, bringen Freunde aus aller Welt mit.
So stellt »Jazz an der Lohmühle« wieder einmal ein Programm auf die Bühne, nach dem sich Fans anderswo die Finger lecken.
Angefangen bei der All-Star-Besetzung »Christian Lillinger 4-tett«, die hier erstmals zu hören sein wird (der Schlagzeuger wurde erst mit dem Jazz Echo ausgezeichnet) , über das in Frankreich gefeierte »Clarinet Trio« (das Jazz d’Or-Festival kreiierte eigens ein deutsch/französisches Doppeltrio) bis hin zu Potsa Lotsa, jener Hommage an den in Berlin gestorbenen Eric Dolphy, die in den USA, dem Heimatland des FreeJazz-Heroen so begeistert aufgenommen wurde.

Dass Sean Bergin auch dieses Jahr wieder nach Berlin kommt, macht alle Beteiligten bei »Jazz an der Lohmühle« besonders stolz.
Nicht nur, weil der ins niederländische Exil gegangene Saxofonist zum Urgestein des südafrikanischen Jazz zählt – mit zahlreichen Verdiensten um die Entwicklung des Jazz in Europa, sondern weil er hier in Christian Lillinger seinen neuesten „Friend“ kennenlernte (siehe Konzert am 14. Juli).
Die Frage, ob das relevant sei, kann nur stellen, wer sich weigert, zuzuhören. Gunter Hampel, der in New York und Berlin lebt und arbeitet, hat folgendes zur »Jazzdebatte« beigesteuert: „Mündige Jazzhörer kriegt man – wie im Fußball – nur durch echte Begeisterung.“
Die Antwort von der Lohmühle lautet: Wir sind schon dabei!
~ Tobias Richtsteig